Fasnet in Simonswald – Zum 60-jährigen Jubiläum des Elferrats
Ob Karneval, Fasching, Fastnacht oder eben Fasnet, wie es in unserem Schwarzwalddorf heißt: all diese Feierlichkeiten beschreiben in unterschiedlicher Form das rauschende Schwellenfest vor der Fastenzeit bis Ostern. Von manchen verachtet, von vielen geliebt – die Fasnet polarisiert. Der Großteil der Simonswälder zelebriert die fünfte Jahreszeit jedoch ausgiebig. Ironischerweise war die Fasnet 2020 für viele auch die bislang letztere größere gesellige Veranstaltung überhaupt. Doppelt bitter für die Narrenzunft Obersimonswald, die am 11.11.2020 in ein rauschendes Jubiläumsjahr starten wollte. Denn es kam bekanntlich anders…
In dieser Folge werden die Ursprünge und frühen Formen der Simonswälder Fasnet gleichermaßen beleuchtet wie die heutigen Unternehmungen des Jubiläumsvereins.
Im Gespräch berichten zwei, die es wissen müssen. Zum einen Hans-Jürgen Wehrle, bekannt aus der letzten Folge dieses Podcasts, seines Zeichens aktiv von 1970 bis 2003, davon 1. Vorsitzender von 1983 bis 1999 und somit Ehrenvorsitzender des Elferrats. Und zum anderen Bernhard Brugger, aktiv seit 1991 und 1. Vorsitzender seit 2015.
Größter Einschnitt der Vereinsgeschichte
Schon zu Beginn der Pandemie war deren Verlauf nur schwer abzuschätzen. Nach einigem Abwarten plante man zunächst, sich närrisch beim bevorstehenden Dorffest 2020 einzubringen, so Vorstand Bernhard. Dies war bereits beim letzten Jubiläum im Jahr 2010 der Fall und kam bei der Bevölkerung sehr gut an. Schon bald jedoch musste man sich den Entwicklungen fügen und sämtliche Planungen verwerfen. Sowohl das Dorffest war zwischenzeitlich abgesagt, als auch die Generalversammlung am ursprünglich 11.11.2020.
Erinnerungen an 1991 – Auch keine Fasnet und doch war alles anders
Ganz anders sei es beim letzten vergleichbaren Einschnitt vor 30 Jahren gewesen. Als 1991 von höherer Stelle angeordnet wurde, auf die Fasnet wegen des Golfkriegs zu verzichten, war der Elferrat bereits in den Startlöchern, erinnerte sich Hans-Jürgen. Der Bunte Abend war bereits vollständig geplant und hätte wie gewohnt zwei Wochen vor der Fasnet stattfinden sollen. Dennoch musste er abgesagt werden.
1991 war es gerade umgekehrt: dort waren wir schon vorbereitet und mussten trotzdem alles absagen.
Die Fasnet selbst wurde jedoch wie vielerorts inoffiziell gefeiert. So kamen etwa viele Obertäler mit der Musik im Rebstock zusammen und feierten die Fasnet. Zwar mit etwas weniger Andrang als sonst und weitgehend hinter verschlossenen Türen, aber dennoch ausgelassen. Ins nasskalte Wetter hinaus ging man nur, wenn man zur nächsten Wirtschaft weiterzog.
Die frühen Anfänge der Altsimonswälder Fasnet
Noch lange vor Gründung der Narrenzunft fand in Altsimonswald bereits 1906 eine erste Fasnetsveranstaltung statt. Hauptinitiator war den Überlieferungen nach Augustin Oschwald, ein Schneider, der in der Nähe der heutigen kulturhistorischen Ölmühle wohnte. In seiner Zeit auf Wanderschaft in Mainz und Worms hat er selbst erlebt, wie dort Karneval gefeiert wurde. Mit dieser Idee im Gepäck gründete er zurück in Simonswald eine lose Narrengruppe und veranstaltete auch einen ersten Fasnetsabend. Den Bildern nach jedoch weder am rheinischen Karneval noch der allemannischen Fasnet orientiert, sondern mehr ein bayrischer Abend. Zünftig, ausgelassen und mit Musik. Den Grundstein für eine regelmäßige Fasnet hatte der „Wormsen Schninder“ wie er fortan hieß, somit erfolgreich gelegt.
Starthilfe von den Gütenbachern
In Obersimonswald kam die Sache erst Anfang der 1950er ins Rollen. Damals arbeiteten zahlreiche Obertäler in Gütenbach, meist bei den dortigen größeren Firmen Faller und Hanhart. Durch diese intensiven Kontakte unter den Arbeitskollegen kam man auch mit der dortigen Fasnet in Berührung. Gütenbach hatte bereits 1956 einen Narrenclub.
Die Gütenbacher neckten die Obersimonswälder: „Ihr Däler kinne jo nit mol richtig Fasnet mache!“. Und da haben manche Obertäler gesagt: „Gut! Das probieren wir.“ – oder auf Allemannisch: „Denne Giedebacher zeige mer’s!“
Quasi als Trotzreaktion gründete man schließlich 1960 in einer frühen Form den losen „Narrenclub Obersimonswald“, der anfangs noch von den Gütenbachern unterstützt wurde. Irgendwann in diesen Jahren muss es auch passiert sein, dass der Gütenbacher Narrenmarsch „entlehnt“ und fortan als Obertäler Narrenmarsch etabliert wurde.
Initiatoren dieser ersten offiziellen Obertäler Fasnet waren seinerzeit Schreinermeister Konrad Rösch, August Stratz vom Sternen-Kraftwerk, Fritz Schultis vom Ganterhof und andere.
Ablenkung in den schwierigen Nachkriegsjahren
Fasnet wurde auch in schlechten Zeiten gemacht. Obersimonswald hatte im Zweiten Weltkrieg 34 Gefallene und 11 Vermisste zu beklagen. Dennoch nahm man behutsam unter dem Motto, neben Freud’ eben auch Leid zu teilen, den Fasnetbetrieb schon bald wieder auf. 1948 wurde so erstmals federführend von Andreas Schultis, dem „Schriener Andres“ zusammen mit der Musik die Fasnet wieder ausgerufen. Er war so gesehen auch der erste Narrenvadder noch ohne Verein und verlas auch teilweise während des Kriegs Moritaten.
Die Vereinsgründung
Im Archiv des Vereins ist etwa ein genehmigter Antrag des Landratsamts Emmendignen vorhanden. Im Februar beantragte der damalige lose Narren-Club Obersimonswald einen Zuschuss für den geplanten Fasnetsumzug vom Hotel Engel zum Grün. Aus der Verantwortung heraus, diese Veranstaltungen auf der Hauptstraße sicher durchführen zu können, gründeten die Initiatoren am 11.11.1960 schließlich den Verein. Anwesend waren 40 Personen. Die Satzung wurde ein Jahr später vor sogar 63 Personen verabschiedet: Zweck und Aufgabe des Vereins sind gemäß Artikel 1 die öffentlichen und privaten Fasnetsveranstaltungen. Friedrich Helmle löste Fritz Schultis als Vorsitzenden ab.
Unruhiges erstes Jahrzehnt
In den Jahren 1960 bis 1969 verzeichnete der Elferrat 28 Mitglieder und vier verschiedene erste Vorsitzende. Es herrschte ein reger Wechsel von teilweise sehr kurzen Mitgliedschaften. Mehrfach stand die Überlegung im Raum, den Verein wieder zugunsten einer losen Fasnet aufzulösen. Ab den 1970ern stabilisierte sich der Verein, seit 1977 etwa gab es mit Erwin Ruth, Hans-Jürgen Wehrle, Eduard Heitzmann und Bernhard Brugger lediglich vier erste Vorsitzende. Dienstältestes Mitglied ist Hubert Wehrle, der seit 1976 und somit 45 Jahre bis heute aktiv ist.
Der Bunte Abend als Erfolgsgarant
Bereits ab 1962 wurde der alljährliche Bunte Abend im Gasthaus Erle veranstaltet. Ganze zehnmal fand er dort statt. Mit gerade einmal 17 Jahren war Hans-Jürgen 1971 bei seinem ersten Bunten Abend aktiv mit dabei. Dies war zugleich auch der letzte, der im Gasthaus Erle stattfand:
Die Leute sind bei offenen Fenstern auf den Treppen und Tischen gesessen, damit sie etwas sehen. Die Bühne war klein, es war alles sehr eng. Es war ein Gedränge und ein Gemache… die Flaschen wurden durchgereicht, gegessen und abkassiert wurde erst danach.
Die Leute wollten in den 1960er Jahren unterhalten werden, entsprechend war die Veranstaltung ein Volltreffer für den Elferrat und sehr beliebt. Trotz vieler Stühle, die noch beschafft wurden, mussten regelmäßig zu spät erschienene Besucher wieder nach Hause.
Der schwere Gang ins Untertal
Nach dem Umbau im Gasthaus Erle musste der Bunte Abend ab 1972 vom Obertal ins Untertal verlegt werden. Keine leichte Feststellung zur damaligen Zeit. Alternativlos klopfte man entsprechend beim Gasthaus Krone-Post in Altsimonswald an, wo man von Wirt Bernhard Burger jedoch mit offenen Armen empfangen wurde.
Durchwachsener Start vor neugierigem Publikum
Der erste Bunte Abend im Untertal fand schließlich unter kritischer Beobachtung zahlreicher neugieriger Besucher 1972 statt. Wohlgemerkt trotz widriger Umstände, denn auch im Saal der Krone-Post wurde umgebaut. Es herrschte Durchzug, draußen war es bitterkalt. Als Eingang diente eine einfache Bautür, die Gäste saßen dennoch bereits ab 17 Uhr mit Mänteln und Parkas im sehr kalten Saal.
Der Wunderfitz [die Neugierde], was die Obertäler denn hier unten wollen und was sie machen, trieb zahlreiche Altsimonswälder und Untertäler in die Krone-Post.
Dass Leistung und Qualität anfangs offenbar zu Wünschen übrig ließ, bestätigte der örtliche Friseur, der so genannte „Titusse Fritz“. Er war bei der Generalprobe im Saal und fragte entsetzt: „Was? Das soll Euer Bunter Abend sein? Da könnt Ihr doch einpacken.“. Niemand hätte damals wohl gedacht, dass sich dieser Bunte Abend bis heute zur äußerst beliebten Veranstaltung entwickelt.
In der Folge wurden auch immer wieder kleinere Gastbeiträge akzeptiert. Um 1974 traten die Hornkopfjodler auf, ab 1978 die Fastnachtszwillinge Albrecht Seng und Fritz Maier. Diese bekräftigten die Fasnet in der Gesamtgemeinde: „Vielleicht könne mir’s doch auch noch schaffe, dass s’ganze Tal tuet Fasnet mache. In diesem Jahr sind wir noch zwei, das nächste Mal vielleicht schon drei.“
Die Vorbereitung findet das ganze Jahr über statt
Neben der Verständigung über die WhatsApp-Gruppe trifft man sich ohnehin gelegentlich im nicht allzu großen Dorf, so Bernhard. Denn die Planung der Bunten Abende und der Fasnet beginnt bereits mit dem Ende der vorherigen Fasnet. Ab März beginnen die monatlichen Sitzungen, in denen die Punkte nach und nach zusammengetragen werden. Ob diese nun politischer, privater oder allgemeiner Natur sind, ist zunächst noch unerheblich.
Der Bunte Abend lebt davon, was alles passiert im Dorf. Dies ist sicher auch der Erfolg dahinter: man sieht und hört, was sich zugetragen hat und geht deswegen hin.
Im Gegensatz zu so manch größerer Karnevalsveranstaltung im Fernsehen, so betont Bernhard, sei der Elferrat stets bemüht, niemanden zu beleidigen oder mit Witzen unter die Gürtellinie zu schlagen.
Die heiße Phase beginne schließlich nach der Generalversammlung im November. Ab dort nehme man die Notizen ausführlicher unter die Lupe. Aus manchen werden Sketche, manche werden lediglich in Form von Moritaten vorgetragen – alle hingegen kommen ins Narrenblatt. Auch wird von dort der Bunte Abend dramaturgisch geplant, also was wie in welcher Reihenfolge aufgeführt wird.
Fürs Damenballett geht es schon früher los
Bereits im September beginnt hingegen das Damenballett mit den Vorbereitungen. Die sechs Mädels, meist im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, denken sich eine Choreographie aus und proben diese. Ein Tanz geht meist in die traditionelle Richtung, etwa Funkenmariechen. Der andere Tanz findet meist zu einem Medley aus modernen Hits statt.
Mischung aus traditionellen Punkten und neuen Elementen
Erfolgsrezept des Bunten Abends sind definitiv auch die beständigen Programmpunkte, bei denen man prinzipiell weiß, was einen erwartet:
Stets aufwändig und anspruchsvoll ist das Damenballett.
Das Herrenballett, zeigt „viel Haut“ und kommt eher humorvoll von grazil bis ungelenk daher.
Auch die Bänkelsänger sind immer mit dabei. Über Jahre waren das die Brüder Franz-Josef Wehrle und Hubert Wehrle vom Vogtshof. Letzterer betreibt dies nach Ausscheiden seines Bruders bis heute, seither gemeinsam mit dem 2020 verstorbenen Bernhard Burger bzw. nun mit dessen Bruder Bernhard Burger.
Zwei bis drei Sketche, gespielt vom Elferrat selbst, sind es meist mindestens.
Beliebt und kreativ sind auch stets de Jergle un de Kenke Madi (Jörg Wehrle und Martin Hug), die von Missgeschicken berichten.
Seit einiger Zeit ist eine lose Gruppe rund um den „Stammtisch Café Huber“ mit dabei, die kreativ und anspruchsvoll eine Show präsentiert.
Zu guter Letzt begeistern auch die Wäschwieber Amale un Viddore (Amalia und Viktoria, alias Bernhard Brugger und Eduard Heitzmann), welche sich im Gespräch an so manches Missgeschick der Bürger „erinnern“.
Vorverkauf wie bei einem Weltstar
Schier unvorstellbar ist inzwischen die Situation beim Vorverkauf. Denn um eine der beliebten Karten für einen der beiden (gleichen) Bunten Abenden zu erhalten, muss man früh aufstehen oder gut vernetzt sein.
Die ersten sind um 4 Uhr mit Isomatte, Schlafsack und Thermoskanne vor den Vorverkaufsstellen, also rund fünf Stunden, bevor überhaupt verkauft wird. Und das bei Wind & Wetter und oft im Schichtbetrieb.
Etwas entspannt wurde die Situation durch fest zugewiesene Platzkarten an beiden Abenden. Früher, noch zu Zeiten der freien Platzwahl, wurde im Krone-Saal ein Rekordbesuch von 369 Personen verzeichnet. Gekommen wären noch mehr, aber eine weitere Tischreihe war aus Sicherheitsgründen und für die Bedienungen schlicht nicht tragbar. Zwar führte das Novum, an beiden Abenden feste Plätze zuzuweisen zu Kritik aus der Bevölkerung. Jedoch war kein Argument so gut, dass es den Vorteilen überwogen hätte, so Bernhard. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt, auch wenn das Einstimmen schon ab 17 Uhr gelegentlich fehlt.
Seit 2020 sind die Bunten Abende im Kulturhaus
Nach dem Umzug ins Kulturhaus ist man zudem auf Unterstützung anderer Vereine angewiesen, um den Besucherandrang zu bewirten. Bei der Premiere war dies der Musikverein Obersimonswald.
Der Elferrat ist um jede Meldung eines Missgeschicks froh
Gerade die langjährigen Mitglieder des Elferrats haben laut Bernhard gewisse „Antennen“ entwickelt. So manche eher beiläufig erzählte Geschichte im Beisein dieser „alten Hasen“ kann dazu führen, dass sie närrisch verarbeitet wird. Meist werden diese in den Vereinen oder bei geselligen Zusammenkünften erzählt, passieren nicht selten aber im privaten Umfeld.
Auch kommunalpolitische Punkte sind beliebt für die Fasnet
Von Anfang an werden auch jene Themen behandelt, die die Simonswälder Bürger umtreiben. 1969 war dies etwa die bevorstehende Gemeindereform und damit die drohende Auflösung Obersimonswalds, noch vor einigen Jahren die Bürgermeisterwahl nach 25 Jahren Reinhold Scheer. Auch die jahrzehntelangen Planungen einer Festhalle vor Errichtung des Kulturhauses waren immer wieder beliebtes Ziel. Generell wird so manche womöglich fragwürdige Entscheidung des Rathauses närrisch verarbeitet.
Bei Vereinsausflügen passiert es meistens
Noch vor der Pandemie und hoffentlich in Kürze wieder sind es die Vereinsausflüge, bei denen allerhand passiert. Von Feuerwehren über Kirchenchöre, Musikvereine und Gesangsverein bis hin zum Schützenverein – keine Gruppe bleibt verschont.
In besonderer Erinnerung ist mir der Sketch zum Vereinsausflug des Obertäler Kirchenchors mit dem Reisebusunternehmen Obert.
Reicht der Stoff eines Missgeschicks nicht für einen Sketch, wird er eben in kurzen Erzählungen von den Wäschwiebern oder Jergle & Madi wiedergegeben.
Vom Bühnenbild hängt vieles ab
Besonders lobend erwähnt Bernhard die jüngeren Akteure, die sich trotz des teilweise konservativen Rahmens voll ins Zeug legen. Zwar kommen mittlerweile Beamer und professionelle Licht- und Tontechniken immer häufiger zum Einsatz, oft ist es aber auch das hervorragende „analoge“ Bühnenbild, welches zum Erfolg beiträgt. Dies wurde lange Jahre von Helmut Keppner gestaltet, aktuell seit wiederum einigen Jahren zeichnet sich sprichwörtlich Sebastian Wehrle verantwortlich. Oft kurzfristig nochmals umgestaltet wurden hier schon so manches Wohnzimmer, Wirtschaften, Firmen und besondere Orte in Simonswald dargestellt.
Ein besonderes Bestreben ist es, größere Fahrzeuge oder Kulissen abzubilden.
Ein Auto, ein Unimog… irgendetwas Großes muss auf die Bühne. Der Reiz der Leute ist immer: wen stellen sie denn jetzt dar?
Natürlich stellten die beengten Bedingungen etwa zu Zeiten der Krone-Post den Elferrat vor größere Herausforderungen. Man hielt jedoch daran fest, möglichst originelle Objekte auf die Bühne zu bringen.
Der Elferrat ist auch stolz auf sein Team
Hans-Jürgen erwähnt dazu die Dynamik in den Vorbereitungen. Gelegentlich geht man vom Erfolg eines Sketches aus, der dann floppt und erfreut sich andererseits am unerwarteten Erfolg vermeintlich schwächerer Sketche. Bernhard ergänzt, dass der Bunte Abend stets ein Gesamtprojekt vieler Mitwirkender ist.
Der Bunte Abend, so, wie er heute ist, ist sozusagen ein Erfolg des ganzen Dorfes. Jeder trägt quasi dazu bei.
Ebenfalls „beständig“, so Hans-Jürgen mit einem Schmunzeln, war die Dekoration des Krone-Saals, welche von 1972 bis 2019 exakt gleich war und somit sicher ein gutes Omen darstellte.
Büttenreden und Sketche machen viel Arbeit
Hans-Jürgen berichtet aus vielen Jahren, in denen er Büttenreden hielt. Er sammelte fleißig Material, ob aus größeren Karnevalssitzungen, sonstigem Videomaterial. Insbesondere zu Zeiten ohne Internet eine Mammutaufgabe. Auch besuchte er regelmäßig Veranstaltungen anderer Narrenzünfte, um sich gute Punkte mitzunehmen.
Im Austausch mit einem Kollegen aus Waldkirch bereitete er seine erste Rede vor.
Also wenn ich meine erste Büttenrede von 1972 heute nochmal vortragen würde… die Leute würden sich umdrehen und gehen.
Die Büttenrede hielt er stets in der Ich-Perspektive, was ihm das Erzählen wesentlich erleichterte.
Auch Bernhard ergänzte, dass man meist mehr vorbereitet, als es letztlich auf der Bühne erscheint. Nicht selten weicht man massiv vom geplanten Manuskript ab, wenn es die Publikum-Reaktion erfordert. Dabei gehört auch eine gewisse Disziplin auf der Bühne, beispielsweise, dass nicht durcheinander gesprochen wird. Die Erfahrung macht es. Aktuell sei man hier gut aufgestellt.
Einmal gab es Post vom Rechtsanwalt
So sehr „Jedem zur Freud, keinem zum Leid“ auch das Fasnetmotto ist. In sehr seltenen Fällen kamen die Darstellungen in den falschen Hals. Bernhard etwa berichtet von einem Brief eines Rechtsanwalts, ein anderes Mal wurde mal zwei Jahre nicht mehr miteinander gesprochen oder man meidet sich eine gewisse Zeit. Meistens aber ist dies mit einem klärenden Gespräch getan. Auch achte man sehr darauf, dass persönliche Missbilligungen keineswegs zu Beleidigungen oder ähnlichem führen.
Die eigentliche Fasnet beginnt mit dem Hemdglunker-Umzug
1959 fand noch ein Fasnetausrufen statt, seit etlichen Jahren jedoch wird mit dem Hemdglunkerumzug am Schmutzigen Dunschdig die Fasnet eröffnet, seit 2005 mit kräftiger Narrensuppe. Dem Besucherrückgang entgegnet der Elferrat, dass Tradition verpflichte.
Dass wir da jetzt keine zwei-, drei-, vierhundert Leute animieren können, das ist einfach so. Wir haben viele Wege ausprobiert. Der Hemdglunkerumzug muss aber stattfinden, wenn auch in kleinerem Rahmen.
Nicht immer entscheide nur die Masse über den Erfolg, hier ist es sicher eher die Tradition, so Bernhard. Auch ist es schlichtweg der Auftakt zur Fasnet und gehört dazu. Derzeit verläuft die Umzugsstrecke vom Grünen Baum bzw. der dortigen „Wehrles Garage“ zum Café Huber. Was bereits 1959 kritisch betrachtet wurde, ist der Straßenverkehr, so dass der Umzug bereits seit Jahren von Polizei und Feuerwehr abgesichert wird, was nicht zuletzt Bernhard als Vorsitzenden beruhigt.
Mit der Kinderfasnet werden die jüngsten Narren herangezogen
Auch hierzu liegen diverse Anträge aus den Anfangsjahren vor, damit die Kinderfasnet stattfinden kann. Nicht zuletzt fuhren noch 1960 unter anderem Konrad Rösch und weitere Elfer in seinem elektrisierten Tempo-Dreirad durchs Obertal und verteilten Bonbons und Süßigkeiten an den „Narrensamen“, also die närrischen Kinder.
Ebenfalls seit Jahren fest etabliert für die Kinderfasnet hat sich der Fasnet Somschdig nachmittags. Um 13:30 Uhr geht es in der Bergstraße los. Zur Begleitung des Musikvereins Obersimonswald ziehen die teilweise rund 120 Kinder mit ihren Eltern und Großeltern im Umzug hinterher. Die Strecke führt den Nonnenbach entlang und schließlich den Herrenstein hinauf zum Pausenhof der ehemaligen Grundschule. Dort findet schließlich zu Klängen des Musikvereins das Schaulaufen statt. Jede Gruppierung erhält eine Nummerntafel und nimmt am Preislaufen teil. Die Jury entscheidet schließlich über die Platzierung.
Wenn man die Jüngsten nicht an die Fasnet heranführt, wie sollen sie dann mit 18 Jahren dann selbst Fasnet machen?
Meist spielen der Aufwand, die Kreativität und der handwerkliche Einsatz eine besondere Rolle. Liebevolle selbstgemachte Verkleidungen mögen hier zwar einen Vorteil gegenüber sichtlich gekauften Kostümierungen haben. Sehr wichtig ist dem Elferrat aber vor allem, dass jedes anwesende Kind nicht nur Wurst & Fanta bekommt, sondern auch mit einem Preis nach Hause geht. Zwar werde man von der Gemeinde unterstützt, habe aber dennoch stets Unkosten in Höhe von meist einigen Hundert Euro. Dies nehme man jedoch gern in Kauf, so Bernhard. Die Prämierung findet im Rahmen eines närrischen Konzerts des Musikvereins in der geschmückten ehemaligen Turnhalle statt.
Abends sind dann die Erwachsenen dran: Preismaskenball
Nach etlichen Jahren in der Krone-Post findet ebenfalls seit 2020 der Preismaskenball schließlich abends im Kulturhaus statt. Auch hier sind stets hochwertige, individuelle und liebevoll umgesetzte Kostümierungen anzutreffen. Bei den viele wohlverdienten Preisträgern, die schließlich auch in der Badischen Zeitung abgebildet werden, möchte Bernhard keine Gruppierung besonders hervorheben. In schöner Erinnerung sind ihm dennoch die Kelly Families (mehrfach), Cockailgläser, Lego-Figuren, Barbie, Cats, fliegende Holländer und viele mehr.
Besonders freut es den Elferrat, dass viele Gruppierungen – sei es aus Vereinen, aus Nachbarschaften oder Cliquen und Freunde – nahezu jedes Jahr in anderer aufwändiger Verkleidung teilnehmen.
Nach der Prämierung findet auch ein Tanzabend zur Live-Musik statt, der sich inzwischen ebenfalls bewährt hat. So konnte man trotz drückender Konkurrenzveranstaltungen in Waldkirch und Oberwinden stets zahlreiche Narren in Simonswald vorfinden.
Nach einer kurzen Nacht folgt die närrische Kundgebung
Im Ortsteil Obersimonswald erfreut sich seit jeher am Fasnet Sundig die närrische Kundgebung großer Beliebtheit. Unterstützt durch den Musikverein, der etwa alle zehn Jahre im neuen Einheitsgewand erscheint, werden auch dort 1-2 Sketche aufgeführt Bevorzugt beispielsweise politische Besuche vom vergangenen Jahr. Weiter werden Moritaten verlesen. Besonders schön anzusehen ist, dass sich hier viele Gruppierungen vom Vorabend auf dem Obertäler Rathausplatz versammeln. Der Fasnet Sundig ist auch aufgrund der anschließenden Straßen- und Budenfasnet quasi der höchste Feiertag der fünften Jahreszeit.
Am Fasnet Sundig trifft sich einfach alles im Obertal. Da sind Leute mit ihrem einjährigen Kind dabei, aber auch Opa und Oma finden ihre Gruppen. Jede/r kann die Fasnet machen, die er/sie für richtig hält.
Auch die Vielfalt der Kostümierungen erfreut den Elferrat. Von Landstreicher bis Prinzessin ist alles anzutreffen.
Ein besonders schöner Punkt ist jedoch das Miteinander und der indirekte Kontrollmechanismus. Während sich kleinere Streitigkeiten nie vermeiden lassen, achtet man trotzdem gegenseitig ein wenig darauf, dass niemand nennenswert über die Stränge schlägt. Man kennt sich eben.
Einkehrmöglichkeiten gibt es entweder bei den Wirtschaften, in Buden von Vereinen, im Pavillon, im Sportheim oder bei privaten Unterkünften. Interessierte Teilnehmer können sich hier stets beim Elferrat melden.
Bantle-Verbrennung und Kehraus
Am Fasnet Zischdig endet schließlich die Fasnet. Bei umso wilderem Hexentreiben – derzeit im Café Huber – findet abermals ein kleiner Umzug des Musikvereins statt, der zum Pavillon führt. Dort wird dann im Dunkeln der Bantle, eine Narrenfigur, welche die ganze Fasnet über im Rathausfenster „sitzt“, symbolisch verbrannt.
Seit längerem ebenfalls prägend für die Simonswälder Fasnet: die anderen Zünfte
Alle Zünfte sind weiter unten verlinkt und werden auf ihrer jeweiligen Homepage ausführlich erklärt.
Seit 1995 gibt es die Narrenzunft „d’Simiswälder Hohwaldgeischter“ mit stellenweise über hundert Mitgliedern. Im grün-schwarzen Flecklehäs und dem Hohwaldgeischter-Häs vertreten sie Simonswald eindrucksvoll bei Umzügen anderer Narrenzünfte. Meist werden sie musikalisch im Wechsel vom Musikverein Obersimonswald oder der Trachtenkapelle Simonswald begleitet. Neben Zunftabenden und dem Untertäler Hemdglunkerumzug können sie auch auf erfolgreiche Narrentreffen in Simonswald zurückblicken.
Seit 2011 gibt es zwei weitere Zünfte. Während die Däler Hexen als kleinere Zunft gelegentlich bei Umzügen anzutreffen ist, sind die im gleichen Jahr gegründeten Gfäll-Hexen inzwischen ebenfalls zur beachtlichen Zunft herangewachsen. Die schwarz-rote Hexengestalt vertritt Simonswald ebenfalls mit stets vielen Narren auf auswärtigen Treffen.
Gefürchtetes Presseerzeugnis: die Narrenzeitung
Während andernorts Moritaten meist einmalig verlesen werden, ohne diese festzuhalten, freut sich der Obertäler Elferrat über eine akribische Erfassung im „Narrenblättle“. Jogi Weis und sein Team bringen diese meist in Reimform zu Papier. Bereits 1950 wurden in früher Form – damals sogar noch im Rathaus – Missgeschicke in der „Narrenzeitung“ festgehalten. Als es fast „eingeschlafen“ war, belebten Siegmund Brugger und Alfred Schwär das Projekt ab 1979 wieder. Auch in 2021 wurde eine Narrenzeitung in einer Auflage von 600 Stück herausgegeben. Wohlgemerkt ohne eine einzige Werbeanzeige, wie Bernhard betont.
Der Waldschreck floppte
In den 1980ern sorgte der Mieter des Holzschlaghofes in Obersimonswald für Aufsehen. Er bestand nach einigen Jahren der Beobachtung darauf, dass der Elferrat ein Häs haben müsse und schlug mit dem Waldschreck eine Figur vor. Auch nahm er Geld in die Hand und ließ ein Häs entwerfen. Auch der Verband Oberrheinischer Narrenzünfte legte den Obertälern nahe, „wie in vielen Gemeinden auch“ eine Zunft mit Häs zu gründen.
Wenn wir diese Zunft gründen, kommt die alte Ortsfasnet in der jetzigen Form zum erliegen. Wir wären mehrere Sonntage auf diversen Narrentreffen unterwegs. Das lehnen wir strikt ab, wir sind und bleiben der Elferrat.
Schon damals war klar, betonte Hans-Jürgen, dass der Elferrat nichts gegen eine weitere Zunft im Tal einzuwenden hat, dies jedoch nicht selbst in die Hand nehmen wird.
Der heutige Elferrat, ergänzt Bernhard, stehe für Saal- und Straßenfasnet, trägt Narrenkappe und ist nicht maskiert. Damit lehne man sich eher an den rheinischen Karneval an, was sicher der maßgebliche Unterschied zu den anderen Zünften im Tal sei.
Bewusst überschaubare Mitgliederzahl
Neben der erwähnten hohen Fluktuation in den 1960ern und 1970ern erfreut man sich seither recht stabil an mindestens elf Mitgliedern. Zwar seien es Stellenweise laut Hans-Jürgen auch mal neun bzw. tendenziell zu wenig gewesen. Hintergrund war hier die meist gefürchtete Doppelbelastung der jungen Kerle, die oft bereits in anderen Vereinen waren und so die Mitarbeit im Elferrat scheuten. Aktuell aber sind es mit dreizehn Räten eher mehr als üblich. Im Übrigen war bis heute noch nie eine Frau Mitglied.
Die Stärke des Zusammenhalts im Elferrats liegt nach Bernhard auch in der Altersstruktur – derzeit zwischen 25 und 66 Jahren. Auch unternehme man unterjährig einen Vereinsausflug oder geht wandern. Ebenfalls veranstaltet man stets ein Helferfest für alle Unterstützer bei der ganzen Veranstaltungen. Von Narrenblattschreiber und Tontechniker, über Näherinnen und Ballettlehrerinnen bis Komponisten und Kulissenmalern.
Vorbeischauen lohnt sich
Als Resümee stellt Bernhard die Kameradschaft und die Altersstruktur der Obertäler Narren als Erfolgsgaranten heraus. Man kann dort einmal so sein, wie man unter dem Jahr vielleicht nicht sein kann. Ob man nun den Nachbarn nachspielt oder sich an der „Kostümierung ohne Grenzen“ erfreut. Die urige, friedliche Ortsfasnet sei immer ein Besuch wert.
P. S. Kleiner Foto-Effekt gefällig?
Das Original-Foto des Episodenbilds hatte den typischen Rotstich der 1980er-Jahre. Moderne Bildbearbeitung macht’s möglich, auch diese Fotos zu retten.
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Links zum Beitrag
- Bericht des WDR zur Absage der Fasnet anno 1991
- Wirtschaften und Gasthäuser in Obersimonswald, in denen Fasnet stattfand/-findet
- Gasthaus Zur Krone-Post, jahrelanger Veranstaltungsort des Elferrats im Untertal
- Andere Simonswälder Zünfte
- Narrenzunft d’Simiswälder Hohwaldgeischter 1995 e.V.
- Gfäll-Hexen Simonswald e.V.
- Däler Hexen (inzwischen Kollnau)
- Kulturhistorische Ölmühle
- Narrengesellschaft Gütenbach
- Simonswälder Kulturhaus
- Obert-Reisen, der Simonswälder
- Fachbegriffe
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